Warum kein Tool hilft, wenn man nicht aktiv zuhören kann

Viel Erfahrung zu haben, ist wertvoll. Ebenso wertvoll ist es, diese Erfahrung gewinnbringend mit anderen zu teilen. Wenn dies jedoch dazu führt, dass man bei der Schilderung einer anderen Person voreilige Schlüsse zieht und versäumt, aufmerksam zuzuhören, können die vorgeschlagenen Lösungen ebenfalls verfehlt sein. Insbesondere gilt das, wenn es auf der kommunikativen Ebene zu Störungen kommt. Eine Technik, die dem entgegenwirken kann, ist das Spiegeln, auch bekannt als aktives Zuhören, wie es unter anderem von Carl Rogers in der Psychotherapie angewendet wurde. Wie diese Technik auf Konfliktgespräche übertragen werden kann, wird anhand der Interaktion zwischen Tom, Luca und Hannes deutlicher:

Tom trifft sich mit seinem Manager Luca. Beide arbeiten seit mehreren Jahren in derselben Firma. Gleich zu Beginn des Austauschs wird klar, dass Tom von einer aktuellen Situation sehr angefressen ist: Er wurde bezüglich einer wichtigen Entscheidung von seinem Teamkollegen Hannes nicht konsultiert und hat jede Menge Beschwerden von Kolleg*innen auf dem Tisch. Tom denkt, wäre er konsultiert worden, hätte man diese Beschwerden vermeiden können. Tom hält gegenüber Luca nicht hinter dem Zaun, wie er die Situation und den Kollegen findet. Luca hört aufmerksam zu und stellt viele Rückfragen, um besser zu verstehen, wer wen wann nicht informiert hat und was die möglichen fachlichen Konsequenzen für sein Team sind. Tatsächlich arten die Rückfragen in ein kleines Kreuzverhör von Tom aus. Sobald Luca’s Wissensdurst gestillt ist, ist die Lösung für Luca auch klar, denn Luca kennt alle Beteiligten seit Jahren und weiß ziemlich schnell, wo das Problem liegt: Das ist eine Prozessfrage und die soll Luca mit dem Kollegen einfach klären. Ist doch irgendwie klar und einfach, denn die beiden müssen ja nur miteinander sprechen. Luca hat das einmal sehr ähnlich erlebt und teilt seine Erfahrung direkt mit Tom. Tom fällt es schwer, Luca’s Erfahrung zuzuhören, weil er selbst noch ziemlich in seinen Emotionen gefangen ist. Das teilt Tom nicht mit Luca: Er wurde von Hannes nicht das erste Mal übergangen und Tom kann den Kollegen einfach nicht mehr leiden. Tom ist verärgert, weil er sich in seiner Kompetenz nicht anerkannt fühlt, sich nicht wirksam fühlt und ist frustriert, weil er durch das Agieren von Hannes noch mehr Arbeit hat. Er fühlt sich von Luca nicht unterstützt, weil die vorgeschlagene Lösung zwar einfach und offensichtlich wirkt, tatsächlich aber wegen des unkooperativen Verhaltens zwischen Hannes und Tom nicht funktionieren wird. Tom fühlt sich, zusätzlich zu dem Streit mit seinem Kollegen, nicht von seinem Manager unterstützt.

Ist Ihnen das auch schonmal so ähnlich passiert? Mir schon; wir ziehen voreilige Schlüsse, wie es Luca in diesem Beispiel getan hat. Menschen lieben einfach Fortschritt und das Überwinden von Hindernissen, also denken wir gerne in Lösungen, genauso wie Luca es getan hat: einfach miteinander sprechen und schon geht’s vorwärts. Auf Basis dieser Schlüsse führen wir das Gespräch mit unseren Mitmenschen weiter, ohne verifiziert zu haben, ob wir die Situation überhaupt richtig erfasst haben: Toms Problem ist nicht primär der Prozess, sondern liegt auf der Kommunikations- und Beziehungsebene mit seinem Kollegen, der ihn wiederholt nicht einbezogen hat. Luca hat durch seine Rückfragen seine Neugier gestillt, um die Situation aus seiner Sicht zu erfassen und dabei Tom aus den Augen verloren.

Jede Erfahrung und jeder Tipp, jedes Rahmenwerk und jede Methode sind völlig wirkungslos, wenn man nicht in der Lage ist, zu spiegeln. Bevor wir uns dem Spiegeln nach Rogers als Technik widmen können, müssen wir mehr über das Zuhören reflektieren.

Wie kann man denn richtig zuhören?

In der zwischenmenschlichen Kommunikation spielen verschiedene Zuhörarten eine Rolle, um Verständnis und Empathie zu fördern. Von passivem „Pseudo-Zuhören“ bis hin zu aktivem Zuhören hat jede Technik ihre eigene Bedeutung und Auswirkungen auf den Dialog.

headphone to visualise listening

1. Pseudo-Zuhören: Pseudo-Zuhören tritt auf, wenn jemand vorgibt zuzuhören, aber in Wirklichkeit gedanklich abwesend ist oder sich nicht wirklich für das Gespräch interessiert. Diese Form des Zuhörens kann dazu führen, dass sich die Gesprächspartner*innen nicht gehört oder sich respektiert fühlen. Wir alle waren mal Teenager und haben es zumindest dann unseren Mitmenschen zugemutet.

2. Aufnehmendes Zuhören: Aufnehmendes Zuhören bedeutet, die Worte der Sprechenden aufzunehmen und passiv zuzuhören, ohne jedoch aktiv zu reagieren oder zu verstehen. Diese Form des Zuhörens kann hilfreich sein, um Informationen zu erhalten, geht jedoch nicht tiefer auf die Gefühle oder Bedürfnisse der Sprechenden ein. Aufnehmendes Zuhören kennen wir alle aus der Schule.

3. Umschreibendes Zuhören: Umschreibendes Zuhören beinhaltet das Paraphrasieren oder Zusammenfassen dessen, was die Sprechenden gesagt haben, um sicherzustellen, dass man den Inhalt richtig verstanden hat. Durch das Wiederholen oder Umschreiben der Aussagen der Sprechenden zeigt der Zuhörer oder die Zuhörerin sein bzw. ihr Interesse und seine bzw. ihre Bereitschaft, die Perspektive der Sprechenden zu verstehen.

4. Aktives Zuhören: Aktives Zuhören ist ein breit gefasster Begriff. Es ist die engagierteste Form des Zuhörens, bei der der Zuhörer oder die Zuhörerin nicht nur die Worte der Sprechenden aufnimmt, sondern auch ihre Gefühle und Bedürfnisse versteht. Aktives Zuhören beinhaltet das Stellen von Rückfragen, das Empathisieren mit den Sprechenden und das Zeigen von Unterstützung.

Je nachdem, welche Quelle man hier konsultiert, gibt es weitere Formen des Zuhören oder es werden ähnliche Begriffe verwendet. Einigkeit gibt es jedoch beim Begriff des aktiven Zuhörens.

Die Technik “Spiegeln”

Spiegeln ist eine spezifische Technik des aktiven Zuhörens, bei der der Zuhörer oder die Zuhörerin die Äußerungen des Sprechers paraphrasiert oder wiederholt, um zu zeigen, dass das Gesagte verstanden wurde. Diese Technik trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden und signalisiert dem Sprecher oder der Sprecherin, dass ihre Worte Beachtung finden.

zwei Frauen hören jemandem zu

Durch das Spiegeln wiederholt oder paraphrasiert der Zuhörer die Worte, Emotionen oder Gedanken des Sprechers, um die Verständigung zu fördern. Auf diese Weise reflektiert der Zuhörer einfühlsam die Äußerungen des Sprechers, was dazu beiträgt, dass sich dieser gehört und verstanden fühlt. Spiegeln dient der Verbesserung der Kommunikation und dem Aufbau einer unterstützenden Atmosphäre.

Durch das Spiegeln wiederholt oder paraphrasiert der Zuhörer die Worte, Emotionen oder Gedanken des Sprechers, um die Verständigung zu fördern. Auf diese Weise reflektiert der Zuhörer einfühlsam die Äußerungen des Sprechers, was dazu beiträgt, dass sich dieser gehört und verstanden fühlt. Spiegeln dient der Verbesserung der Kommunikation und dem Aufbau einer unterstützenden Atmosphäre.

Spiegeln in der Konfliktlösung

Tatsächlich ist Spiegeln eine der wichtigsten Techniken der Gesprächsführung, die durch keine Methode der Welt ersetzt werden kann. In einer Mediation trägt sie dazu bei, die Kommunikation zu verbessern und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Spiegeln spielt eine zentrale Rolle beim Perspektivenwechsel; ein zentraler Baustein in dem Mediationsverfahren. Indem die Mediatorin die Aussagen und Gefühle der Konfliktparteien spiegelt, ermöglicht sie es diesen, sich in die Lage des anderen zu versetzen und die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Durch das Spiegeln werden die Emotionen und Bedürfnisse jedes Beteiligten anerkannt, was dazu beiträgt, Verständnis zwischen den Parteien aufzubauen. Dies schafft die Grundlage für einen konstruktiven Dialog und erleichtert es den Beteiligten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Auf diese Weise unterstützt das Spiegeln den Prozess des Perspektivenwechsels und trägt dazu bei, dass der Lösungsraum geöffnet werden kann. 


Trivia: “Spiegeln” ins Englische als “Mirroring” zu übersetzen, ist falsch. Die korrekte Übersetzung muss “active listening” lauten. Mehr zum Spiegeln (active listening) auf Englisch bei AEON

Tipp: Um mich selbst vor voreiligen Schlüsseln in Gesprächen zu schützen, steht eine Postkarte auf meinem Schreibtisch, auf der eine Person in einen Spiegel schaut. Könnte ihn ein physische Objekt auch helfen?

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