Als ich noch kein Facilitator war, fragte mich einst ein Projektleiter: „Könntest du mitkommen und das ein bisschen moderieren?“ Das „bisschen moderieren“ war eine Eskalation mit einem Auftraggeber, bei dem frisch eine Deadline für ein kritisches Projekt gerissen wurde. Das Projekt lag bereits über dem Budget und weit unter den Erwartungen. Bei dieser Frage, „ein bisschen moderieren“, konnte ich für Mandat und Auftrag getrost ein Fragezeichen setzen. Tatsächlich sollte ich meinen Kollegen begleiten, denn der zu erwartende Rüffel war zu zweit doch erträglicher als alleine.
Dieser Artikel wirft einen genauen Blick auf die Unterschiede zwischen Mediation, Facilitation und Moderation. Alle haben etwas mit der Kommunikation in Gruppen zu tun. Oftmals werden diese Begriffe als Synonyme verwendet, obwohl sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Hier genauer zu sein, mag möglicherweise wie Haarspalterei wirken, kann jedoch helfen, Klarheit darüber zu schaffen, warum einige Formate funktionieren, während andere zu Eskalationen führen oder als Zeitverschwendung wahrgenommen werden. Und genau das geschieht in diesem Artikel:
Facilitator im Fokus: Die Kunst der proaktiven Unterstützung
Wenn man den Begriff „Facilitator“ ins Deutsche übersetzt, erhält man „Moderator“. Doch Facilitation in Gruppen geht über das einfache Leiten von Diskussionen hinaus. Sie bezeichnet die Kunst, Prozesse so zu begleiten, dass die Teilnehmer:innen in einer kollaborativen und effizienten Umgebung ihre Ziele erreichen können. Im Gegensatz zur Moderation, die oft mit Struktur und Regelungen verbunden ist, nimmt ein Facilitator eine unterstützende Rolle ein. Er fördert die Interaktion und die Kreativität und sorgt dafür, dass jeder gehört wird, ohne dabei die inhaltliche Kontrolle zu übernehmen. Dadurch wird ein kollaboratives Umfeld geschaffen. Ein guter Facilitator kann zu effizienten Meetings führen, eine kreative, innovationsfreundliche Umgebung fördern und tatsächlich Konflikten vorbeugen, indem ein Raum geschaffen wird, in dem diverse Meinungen Platz finden. Durch methodische Kenntnisse kann er die Entscheidungsfindung beschleunigen und forcieren, effektive Zielerreichung ermöglichen und dadurch die Mitarbeiter:innenzufriedenheit steigern.
Abgrenzung zur Moderation: Ein Facilitator bietet mehr als nur Struktur

Moderieren geht oft mit der Leitung von Diskussionen und dem Setzen klarer Strukturen einher. Der Moderator sorgt dafür, dass Meetings effizient innerhalb des Zeitrahmens verlaufen. Im Gegensatz dazu liegt der Fokus des Facilitators nicht nur auf der Struktur, sondern auch auf der Schaffung einer positiven, kollaborativen Arbeitsatmosphäre. Es geht nicht nur darum, den Ablauf zu organisieren, sondern auch darum, die Gruppendynamik zu fördern und gemeinsam optimale Lösungen zu erarbeiten.
Reines Moderieren, also das Erteilen des Wortes von einer Partei zur nächsten, kann gerade in Organisationen in ein Reporting abdriften. Reporting ist natürlich nötig, denn wie sonst sollen strategische Entscheidungen getroffen werden? Im Kontext des Reportings dreht sich alles um Zahlen, Daten und Fakten. Es geht darum, Informationen zu sammeln und aufzubereiten. Muss man dafür ein Meeting einberufen?
Ein Facilitator setzt den Fokus auf den Prozess, auf die Interaktion zwischen den Beteiligten. Der Facilitator unterstützt nicht nur bei der Sammlung von Informationen, sondern sorgt auch dafür, dass diese Informationen effektiv genutzt werden, um die Ziele der Gruppe zu erreichen.
Es wird sicher deutlicher an einem Beispiel: In einem Status-Meeting mit unserem unzufriedenen Kunden würde ein Moderator den Termin durch eine Agenda, das Einhalten des Zeitfensters und das Leiten der Diskussionen strukturieren. Ein Moderator könnte sicher über Gesprächsführung nächste Schritte identifizieren. Ein Facilitator hätte den Raum für das kritische Gespräch mit dem Kunden gehalten und von dem Rüffel in den Lösungsraum geführt. Dafür wäre beispielsweise ein „Imagine the Future“-Format geeignet gewesen, in dem Kunde und Auftraggeber gemeinsam Fragen zur Ursachenanalyse, Kommunikationsstruktur, Ressourcenallokation und Abhängigkeiten kurz zurückblicken und dann lösungsorientiert nach vorne schauen. Gemeinsam könnte man sich auf einen gangbaren Weg verpflichten. Abhängig vom Kunden und wie sauer dieser ist, könnte sich auch die How-Might-We-Methode anbieten. Ich habe auch erfolgreich Retrospektiven mit Kunden durchgeführt, denn selbst der schwierigste Kunde stellt die Unzufriedenheit irgendwann zurück und möchte in den Lösungsraum gehen.
Abgrenzung zu mediieren: Konfliktmoderation versus Konfliktlösung
Facilitierung entfaltet sich vollständig, wenn die Beziehungen im Einklang miteinander sind und effizient an einem Sachthema gearbeitet wird. Sowohl ein guter Moderator als auch ein Facilitator können Spannungen in der Gruppe lösen, wenn es um die Sache geht. Dafür stehen unzählige Gesprächstechniken zur Verfügung. Bei einem fortgeschrittenen, verfestigten Konflikt stört die Beziehungsebene den Fortschritt in der Sache. Wenn also der Kunde doch nicht den Schritt in den Lösungsraum gehen will, dann helfen die genannten Formate nichts. Solange der Konflikt nicht geklärt ist, kann nicht effektiv an der Sache gearbeitet werden, und in diesem Fall kann Mediation Sinn machen. Mediation bietet einen klar strukturierten Prozess. Am Ende der Mediation steht ebenfalls der Lösungsraum, denn auch die Mediation schaut nach vorne und verweilt nicht ewig in der Vergangenheit.
Fazit: Der Facilitator als Schlüssel zur erfolgreichen Prozessgestaltung
Facilitieren ist mehr als nur ein Buzzword. Es ist die Fähigkeit, Gruppengespräche zu begleiten. Die klare Abgrenzung zu moderieren, Reporting und Mediation zeigt, dass Facilitieren nicht nur eine Technik oder Methode ist, sondern eine Haltung – eine Haltung, die die effektive Zusammenarbeit und die Erreichung gemeinsamer Ziele in den Mittelpunkt stellt. In einer Zeit, in der Teamarbeit entscheidend ist, wird das Facilitieren zum Schlüssel, um Prozesse zu gestalten und Teams zum Erfolg zu führen.
Ich bin mir sicher: Wann immer Menschen die Möglichkeit bekommen zu gestalten und nicht zu verwalten, passieren Wunder, und diese Haarspalterei zahlt sich aus.
Und was wurde aus dem Kollegen? Gab es ein Wunder? Nein. Da gab es weder Moderation, noch Facilitierung oder Mediation, sondern nur ein Reporting der tiefroten Ampel. Der Kollege hat sich also den Rüffel abgeholt, und wir haben das Projekt zu Ende gebracht, viel gelernt und geklagt. Ich habe ihn nicht begleitet, um ein bisschen zu moderieren, denn ohne klares Mandat bzw. Arbeitsauftrag kann kein entscheidender Beitrag geleistet werden, und Wunder bleiben in weiter Ferne.
Mehr dazu:
Zum Lernen: International Association of Facilitators (IAF): https://www.iaf-world.org/site/home/the-value-of-facilitation
Zum Lesen: Marsha Acker: The Art & Science of Facilitation: How to Lead Effective Collaboration with Agile Teams (2021)
- “Ein Facilitator ist eine Person, die Selbstbewusstsein, Selbstmanagement, Gruppenbewusstsein und Gruppenprozesse einsetzt, um Teams zu ermöglichen, auf ihre kollektive Intelligenz zuzugreifen und ihre gewünschten Ergebnisse zu erreichen.” (Acker, 2021:4)
- “Einige Beispiele, bei denen erfahrene Facilitatoren den entscheidenden Unterschied ausmachen: das Leiten eines wichtigen Meetings mit mehreren Interessengruppen, um einen Plan zu erstellen, den jeder aktiv unterstützen wird; ein Team in einer Krise dazu bringen, miteinander zu sprechen, damit es in eine positive Richtung vorankommen kann; die Planung der in den nächsten Wochen zu erledigenden Arbeit; die Entwicklung einer gemeinsamen Vision und Ziele für ein neues Team; das Führen eines Teams zu einem Konsens; die Klärung einer hitzigen Debatte zwischen zwei Teams darüber, wie sie zusammenarbeiten werden.” (Acker, 2021:9)

